[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Subito Klage



On 6 Jul 2004 at 18:31, Klaus Graf wrote:


Die Klageschrift des Boersenvereins vom 18.6.2004 kann man
aus Nutzersicht nur mit Entruestung lesen.
***********************************************


Vielleicht sollten wir die Subito-Klage zunächst einmal als
Chance sehen, die Verhältnisse, als "Zeitschriftenkrise" sattsam
diskutiert, auf höchstem Niveau zu klären. Was bleibt uns auch
anderes übrig:

1) Die Verlage folgen (wie Herr Franken in Erinnerung ruft) dem
Gesetz, nach dem sie angetreten.

2) Die Verlage üben eine marktbeherrschende Stellung schon
dadurch aus, dass bereits jede Zeitschrift ein kleines Monopol
darstellt: Ich bin an einem ganz bestimmten Produkt interessiert
und habe keine Alternative wie beim Kauf von Zahnpasta. Es gibt
(noch) kein Instrument, außer moralischen Appellen an die
Sozialbindung des Eigentums, die Verlage daran zu hindern, diese
Stellung hemmungslos auszunutzen.

3) Die unter Bezeichnungen "Open Access" "Digital Peer
Publishing" "Universitätsverlag" u.ä. eingeleiteten Aktivitäten
staatlicher und lokaler Einrichtungen können das Problem
zumindest kurzfristig nicht lösen (auch hierzu Herr Franken,
sowie eigene Erfahrungen).

Der Forschung trotzdem einen bezahlbaren Zeitschriften-Zugang zu
ermöglichen, könnte folgendes Modell leisten:

Die Bibliotheken definieren drei Zeitschriftenkategorien (ich
erinnere mich, dass es so etwas schon vor ewigen Zeiten im Rahmen
der DFG-Sondersammelgebiete gegeben hat):

A. Kernzeitschriften, die man laufend durchblättern können muss.
Hier wäre nicht allein das Abo, sondern sogar ein Print-Abo
unverzichtbar.
B. Spezialzeitschriften, für die der Zugriff auf
Inhaltsverzeichnisse für ausreichend erachtet wird und bei denen
die Kosten für die Aufsatzbeschaffung (auch durch Pay-per-view)
von der Bibliothek übernommen werden.
C. Exoten, die von den Wissenschaftlichen Einheiten
kostenpflichtig über die Fernleihe und andere
Dokumentlieferdienste beschafft werden müssen.

Zu A. Zur Erstellung einer Liste dieser Kategorie wird man sich
automatisierter Nutzungs- und Zitierstatistiken, im Wesentlichen
aber der Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern vor Ort bedienen
müssen. Ich wage die Prognose, dass dabei höchstens die Hälfte
der pro Fach zur Zeit laufenden Abos übrig bleibt.

Zu B. Statt eine wenig genutzte Zeitschrift, vor allem eine aus
dem teueren SMT-Bereich, "auf Verdacht" zu abonnieren, würden
erst Kosten im Bedarfsfall anfallen, selbst bei den derzeitigen
ungemessenen Pay-per-view-Preisen für die Bibliothek ein gutes
Geschäft. Ich erinnere mich an die Forderung eines
Hochschullehrers, eine sehr teuere Literaturdatenbank zu
abonnieren: Wir boten ihm als Alternative an, ohne zeitliche
Beschränkung auf unsere Kosten zu recherchieren. Von diesem
Angebot ist nie Gebrauch gemacht worden.

Dieses Modell funktioniert natürlich nur, wenn

1)  zumindest bundesweit, am besten aber pro Leihverkehrsregion
die Zeitschriften der Kategorie B und C verfügbar sind. Hierzu
sind Initiativen wie das Zeitschriften-Schwerpunktprogramm NRW
ins Leben zu rufen oder wiederzubeleben.

2) die durch Urheberrecht 2003 untersagte Kopie von Online-
Publikationen zum Zweck der Fernleihe möglich ist. Es ist ja
nicht einzusehen, dass Titel, die man e-only abonniert hat,
vervielfältigungsrechtlich nicht genau so behandelt werden dürfen
wie Print-Abos.
Dabei müssen wir uns im Klaren sein, dass den Verlagen auch diese
klassische Kopierlizenz ein Dorn im Auge ist. Sie würden am
liebsten alles pay-per-view abrechnen, auch die Benutzung eines
Buchs im Lesesaal. Die Buchsicherungs-Anbieter dienen uns zur
Zeit so genannte Transponder an, Buchetiketten, die nach Art von
Toll-Collect alle Bewegungen eines Mediums nachvollziehbar
machen. Gleichsam als Nebenprodukt wurde sich damit ein
Verlegertraum erfüllen.

Ich denke, beide Seiten werden aufeinander zugehen müssen: Die
Verlage werden die Kuh nicht schlachten, die sie melken wollen.
Die Wissenschaft kann nicht daran interessiert sein, dass
wichtige Zeitschriften ihre ökonomische Basis verlieren und sich
in die Abhängigkeit von Anzeigenkunden begeben müssen.

Klaus Döhmer


== K. Döhmer ZB RAUM 107 TEL (0231)7554036 FAX 7554032 ==


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.