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Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen



Lieber Herr Hilf,

ein paar Anmerkungen zu Ihren Fragen und Aussagen:

Das mit der Geheimhaltung ist wirklich Käse. Natürlich tauschen wir  
nicht die Planungslisten mit den direkten Konkurrenten aus. Aber ich  
weiß dennoch ein halbes Jahr vor Auslieferung sehr genau, was wer  
macht. Wir sind ja auf vielen Ebenen vernetzt. Unsere Autoren sind  
meist für mehrere Verlage tätig, ebenso die Grafiker, Übersetzer  
oder Fotografen. Wir haben oft die gleichen Vertreter. Wir machen  
Titelschutzanzeigen, kündigen Reihen an, besprechen Marketingaktionen  
mit dem Handel und der Presse Monate im Voraus. Und wozu auch die  
Geheimhaltung? Wem wäre damit gedient, wenn zwei Identische Titel  
zeitgleich erscheinen? Da spricht man sich besser ab.
Und das Thema Marktanalysen ist auch keins. Die wirklich wichtigen  
Dinge wie Trends muss man selbst wissen. Da kann uns niemand eine  
Studie machen. Und beim Einstieg in neue Märkte kauft man sich  
Marktdaten von GfK und Mediacontrol, die die Konkurrenten auch haben.

Wir geben zum Thema Hybridpublikationen keine Studie in Auftrag, weil  
wir die Datenlage ja recht gut kennen. Da kann sich der Ausführende ja  
auch nichts Neues aus den Fingern saugen. Die Studien etwa Fraunhofer  
et al. sind in der Regel das Geld nicht wert.

Dennoch hat natürlich jeder Verlag auf Basis vorliegender Erkenntnisse  
eine Arbeitshypothese, die als Orientierung dient und laufend  
angepasst wird. Dafür sind wir untereinander im Kontakt, in  
Arbeitskreisen, in denen wir uns laufend über die neuen Entwicklungen  
austauschen. Und das Thema E-Book und Piraterie und Entwicklung der  
Printumsätze ist in jedem Gespräch Thema. Das ist doch der Grund  
warum ich behaupte darüber mehr zu wissen als Außenstehende.

Zum Thema Webseiten: es ist ja fast zwanghaft wie Sie versuchen mir  
Fehler nachzuweisen. Gibt Ihnen das was? Jedenfalls wären unsere  
Onliner sehr neugierig, wenn sie von Ihnen die Fehlerprotokolle  
bekämen. "Meist um die 300 Fehler pro Seite", wir sind gespannt.

Weiter sagen Sie, wir seien zaghaft beim Investieren. Die Aussage ist  
zu blöd um inhaltlich darauf einzugehen. Aber wenn ich jetzt behaupte,  
dass Sie davon so gerade mal überhaupt nichts verstehen, dann wirft  
mir das gleich auch wieder jemand vor, also Schwamm drüber.

Und auch unsere Werbung hat es Ihnen angetan... Sie sind überall  
Experte, oder? Unsere Kunden sind nich die Wissenschaftler. Und weder  
unsere Kunden noch die Wissenschaftler bewerfe ich mit Farbbeuteln.  
Unsere Onlinewerbung halte ich für überdurchschnittlich, vor allem  
aber für sehr zielgruppenorientiert. Da müssten Sie allerdings die  
Zielgruppen kennen, um das beurteilen zu können.

Und warum soll ich Exkurse über Themenbereiche jenseits der  
Wissenschaft hier raushalten? Inetbib ist - vielleicht ist das in  
Vergessenheit geraten - eine Liste für Bibliotheken, nicht für  
wissenschaftliche Bibliotheken. Und so wichtig sich die Wissenschaft  
auch selbst nimmt, sie ist nur ein kleiner Teil des Ganzen, da  
wiederhole ich mich.

Sie sagen: "wir Wissenschaftler wollen..." Ich nehme mit Erstaunen zur  
Kenntnis, dass Sie das so eindeutig für alle formulieren können. Die  
Wissenschaftler, mit denen ich Verlagsverträge mache, die hart ums  
Honorar verhandeln, keine Zuschüsse zahlen müssen und die ihre Werke  
nicht im Internet sehen wollen sind auch alles Professoren und  
Dozenten, von Agrarwissenschaften bis Wirtschaftsgeografen. In Ihrem  
"Wir" würden die sich vermutlich nicht alle so selbstverständlich  
wiederfinden, wie Sie behaupten.

Und noch zu Hoeren und Hilty: es ist ja OK dass Sie die schätzen. Aber  
es ist doch auch OK dass ich das nicht tue, oder? Dass die MPG an die  
Spitze des MPI in München einen Urheberrechtler setzt, der öffentlich  
sagt, dass er hofft den Kollaps des UrhR noch erleben zu dürfen zeigt  
doch nur, was man am MPG damit bezweckt. National und International  
ruft er unter den Kollegen vor allem Kopfschütteln hervor. Und zu  
Hoeren: wenn ein Richter mit einem Video an die Öffentlichkeit tritt  
wie geschehen, dann ist das eine erstaunliche Auffassung des  
Richteramts. Das muss man nicht gut finden.

Ihren Vorschlag zur Gemeinsamen Einwerbung von Geldern für die  
Finanzierung habe ich nicht verstanden. Vielleicht erläutern Sie ihn  
nochmal.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer


Am 06.08.2009 um 19:20 schrieb "Eberhard R. Hilf" <hilf@isn- 
oldenburg.de>:

lieber Herr Ulmer,
kleine Nachtraege zu dieser umfaenglichen Diskussion.

Um mit Ihrem letzten Satz anzufangen: es ist alles schlimmer als
es scheint.

die Verlage halten meines Wissens nichts geheim.
Nana, ich dachte, es sind kommerzielle Verlage: die muessen
Informationen geheim halten, z.B. ihre Marktanalysen, ihre Vorhaben,
die Vorbereitung neuer Produkte etc. Machen Sie in Ihrem Verlag sowas
nicht? [Das wuerde manches erklaeren, z.B. dass der html Code Ihrer
Verlagsseiten zumeist so um die 300 Fehler hat, also Gefahr laeuft,  
nicht
von allen Browsern oder deren naechstem release gelesen zu werden.

Sie suchen in der INETBIB-Diskussion nach klaren Beweisen (oder wollen
diese mittels externer Studien, etwa des Boersenvereins ermitteln) zu
Gewinnchancen Ihrerseits, zu der Frage, ob sich was fuer wen wie
finanziell lohnt. 1. koennten Sie eine solche Studie jederzeit in  
Auftrag
geben; 2. ist klar, dass jeder gute Verlag diese Studie fuer sich  
laengst
gemacht hat, (haben sollte), um daraus eben genau die differenzierte
Strategie zu schoepfen, wie der eigene Verlag in der Konkurrenz zu
anderen sich positioniert,- eben differenziert jedenfalls nach
Belletristik, Gartenbuechern etc., wissenschaftlichen Lehrbuechern,
wiss. Monographien.

ich sehe nur bei allen mir vorliegenden Infos bisher keine klare  
Linie.
Ich spreche dabei nicht von wissenschaftlichen Monografien sondern  
von
allen Warengruppen.


und eine kleine Bemerkung zum Abschluss zu Ihrem Absatz zum Dialog- 
Stil.

Es ist zwar unterhaltsam, wenn man sich gegenseitig mit Farbbeuteln
bewirft.
und wollen einen sachlichen Diskussionsstil--- nur um im naechsten  
Satz
genau solche Farbbeutel als Erster zu werfen:

Wenn aber von vornherein klar ist, dass man die Position von Herrn  
Hilty
oder Hoeren absurd findet
das spricht leider gegen Sie, als sinnvollen Gespraechspartner, denn  
ich
kenne beide Kollegen als absolut integre, kluge und weitschauende
Persoenlichkeiten, die eben genau die Anforderungen formulieren, die  
wir
Wissenschaftler an die Verlage fuer uns betreffende Produkte haben.

Nirgends sonst kenne ich in der Wirtschaft sonst eine Branche, wo die
Hersteller die Kunden mit Farbbeuteln bewerfen, sondern zumeist wird
entwickelt und produziert, was der Kunde braucht (und umworben, wenn  
er
es brauchen soll).

Dagegen verzichtet Ihr Verlag auf effektive, dem Kunden angemessene  
und
angepasste Online-Werbung in der wiss. Welt, kein Wunder, dass Sie  
zaghaft
sind im Investieren.

In der Wissenschaft ist das einfach: wir wollen (Ruhm, Karriere), -
sollen (Fortschritt der Wissenschaft)- gelesen werden,
und zwar von allen: a) von den Kollegen weltweit (Fortschritt der
Wissenschaft), b) von der Oeffentlichkeit (Rechenschaftspflicht von
Wissenschaft), und das heisst technisch heute Open Access online.
Autoren schreiben und Leser arbeiten Staats-finanziert.
[Also halten Sie bitte die Exkurse ueber Belletristik und  
Gartenbuecher
hier raus].

Wie arbeiten wir: wir brauchen fuer eine aktuelle Forschungsaufgabe
(teils kursorische) bequeme Einsicht in eine grosse Zahl von Werken.
Die soll ich alle gedruckt kaufen, um sie nach Einsicht zu vernichten,
weil ich sie z.T. nicht in meinem Buecherschrank haben will?
Auch bei wiss. Buechern gibt es also einen Bedarf an OAo-(Open
Access Online) Zugang.

Manchmal ist die Einsicht in ein Buch erfreulich: dann! werde ich es
kaufen und in meinem Schrank hueten. Wir brauchen gedruckte Buecher.

Allein schon die Unkenntnis der Arbeitsweise der Kunden und damit der
Anforderungen fuehrt die Diskussion in eine Schieflage.

In der Vergangenheit gab es mutige Verleger, z.B: Herrn Oldenbourg.
Auf der Suche nach einem neuen Geschaeftsmodell befragte und
korrespondierte er intensiv mit den damaligen Koryphaeen der  
Wissenschaft,
und folgte ihrem Rat, es mit dem Konzept einer referierten wiss.
Fachzeitschrift zu versuchen. Den Erfolg kennen Sie.
Auf einen Oldenbourg-2 in der Online-Zeit warten wir seit 15 Jahren.
Stattdessen verharren Sie in einem Produkt, das angesichts

und die ganz sicher auch nicht kommen, um dazu zu lernen;
nana: Professoren lernen qua Amt immer dazu, Verleger sollen Geld
verdienen, lernen also nur soweit es ihnen nuetzt.

Und weils Ihnen so Spass macht, zu werfen, werfen Sie noch gleich zwei
Farbbeutel gegen die so kompetenten Kollegen Graf und Kaemper. Ein
Rueckfall in den farbbeutelreichen Stil des HD Appells, kein
wissenschaftlicher Diskurs.

Bleiben Sie doch einfach sachlich: keine Behauptungen ueber Personen,
sondern Sachargumente, bitte.

Warum also lassen Sie (Ihr Verlag) sich nicht auch von wiss.  
Instituten
und Kollegen ernsthaft und grundwaetzlich beraten, statt auf sie
einzuwerfen (das neue Verb auf Grund dieser Diskussion), und handeln  
dann,
statt auf 'ultimative Beweise' zu warten und Konzepte aus der
Vor-Online-Zeit polemisch zu verteidigen. Das bringt Ihnen keine
neuen Einnahmen.

Ach ja, doch noch ein Satz zur Finanzierung: in der Wissenschaft  
sind die
Kosten fuer das Informationsmanagement inklusive des ganzen
Publikationswesens unter 1% von den Forschungskosten.

Wuerde also die Verlegerseite sich den Anforderungen aus der
Wissenschaft stellen, koennte man gemeinsam die entsprechenden
finanziellen staatlichen Mittel einwerben,- soweit waren wir schon mal
in 1995-98, aber dann stiegen die Verlage unter der Fuehrung der
kleinen deutschen Verlage aus...
Pa.S.: in der Hochenergieforschung funktioniert das uebrigens  
inzwischen.

Auf Ihre Antwort bin ich gespannt, Eberhard R. Hilf

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