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Re: [InetBib] Onleihe nun auch krass unethisch



Hallo Herr Graf,

On Fri, Sep 19, 2014 at 06:53:51PM +0200, Klaus Graf wrote:
Aus meiner Sicht offenbart das Phaenomen Onleihe das ganze
Versagen der deutschsprachigen oeffentlichen Bibliotheken
in Sachen digitale Kultur. 

ich wuerde nicht so harsch von 'Versagen' sprechen. Meiner Meinung
nach wuerde 'Zwangslage' die Situation in Ihrem Satz treffender
beschreiben:

"Aus meiner Sicht offenbart das Phaenomen Onleihe die ganze
Zwangslage der deutschsprachigen oeffentlichen Bibliotheken
in Sachen digitale Kultur. "

Denn gerade oeffentliche Bibliotheken werden von ihren Traegern, den
Staedten, inzwischen nicht selten als potentiell zu streichender
Kostenfaktor angesehen. Zusaetzlich stellen sie mit ihren speziellen
Beduerfnissen (Bibliothekssystemen) auch noch rein technisch einen
Fremdkoeper in der uebrigen staedtischen IT dar. Die Ausgangssituation
bei klammen staedtischen Finanzen - und daran wird sich wohl nie etwas
aendern - ist hier alles andere als optimal.

Gleichzeitig wird von den oeffentlichen Bibliotheken - quasi zur
Rechtfertigung ihrer Kosten - verlangt 'modern' zu sein und nicht so
'verstaubt' wie anno dazumal. In der Vergangenheit gab es hierzu im
Bereich Bibliothekswesen viele gute Ideen (Lernort Bibliothek, Gaming,
usw.) aber bei den Entscheidern verfaengt wohl nichts mehr als der
Begriff 'e-Books', also modern = neue Medien = e-Books. Zumal auch
die Nutzer mit ihren e-Readern hier inzwischen durchaus eine Nachfrage
generieren. Und man brauch nicht mehr soviel Platz fuer Buecher. Und
und und...

Ueber die Enteignung des "Kaeufers" von e-Books als Ausgangspunkt des
ganzen Schlamassels wurde schon genug berichtet, darum spare ich mir
das hier.

Im Resultat sieht sie Situation bei e-Books (bei WBs waeren es eher
e-Artikel aus Fachzeitschriften) fuer die Bibliothek dann zugespitzt
so aus:

Von der einen Seite kommen die Verlage und rufen "Geld oder Leben",
von der anderen kommen die Kunden und Traeger und rufen "e-Books oder
Leben".

Es sollte klar sein, dass die Verhandlungsposition der Bibliothek, die
potentiell um ihre Existenz fuerchen muss, wenn sie dieses Spiel nicht
mitspielt, hier nicht sonderlich stark ist.

Anbieter wie die Onleihe sind die Nutzniesser dieser Zwangslage, weil
sie den Bibliotheken einen gangbaren Ausweg anzubieten scheinen - mit
dem entsprechenden Obulus, der dafuer zu zahlen ist.

Etwas aendern koennte sich wohl erst dann, wenn sich sehr viele
Bibliotheken zusammenschliessen und sagen "Mit uns nicht", damit sich
zumindest die Konditionen verbessern. Speziell die gesetzliche
Gleichstellung mit physisch vorhandenen Medien wuerde hier helfen.

Aber wie realistisch ist das....?

Symptomatisch hierzu ist die Kampagne des dbv "e-Medien in der
Bibliothek - mein gutes Recht!". Anstelle das Problem der massiven
Nutzungseinschraenkungen bei e-Medien allgemein zu thematisieren und
eine grundsaetzliche Gleichstellung mit klassichen Medien (verkaufen,
verleihen, vererben, freie Formatwandlung = kein DRM, ...)
durchzusetzen, betreibt man lediglich Klientel-Politik. Da waere mehr
drin gewesen.

Gruss

O. Flimm

PS: Meine Stadtbibliothek nimmt auch an der Onleihe teil. Weil ich
aber das falsche Betriebssystem (Linux) und den falschen e-Reader
(kindle) nutze, bleibt fuer mich dieses Angebot verschlossen ;-)

PPS: Ein Verkaufs-Button und Provisionen gehen natuerlich gar nicht.

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