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Re: "Kampfplatz Katalog", Anreicherung von Bibliothekskatalogen, Artikel in der SZ vom 02.05.2005



Sehr geehrte Frau Niemann,

ich denke, dass Sie mit dem Hinweis auf SFX von H. Van de Sompel (1999)
mit dem open- und context-sensitive linking framework, neben einer Reihe anderer Revolutionen
des modernen Katalogwesens, ein wichtiges Elemente angesprochen haben, auf das wir
(Wagner-Döbler und ich)in unserer neu erscheinenden Einführung in die Katalogkunde
(begründet von Löffler, Hiersemann Verl. 2005) daher auch kurz eingehen.


Die Entwicklung ist klar, und hat sich vor vielen Jahren bei OCLC schon angekündigt.
Wenn eine Bibliothek ein Dokument hat (bzw. Nutzungsrechte besitzt), können Sie
(je nach Nutzererlaubnis) es über SFX direkt abrufen, wenn nicht, werden
Sie durchgeschaltet zu einem kommerziellen Anbieter oder auch zu einem print-on-demand-service.


Dass dabei TOC (Table of Contents), BEAT (Bibliographic Enrichment Advisory Team) u.ä.
eine wichtige Rolle spielen, steht schon jetzt außer Zweifel. Im Gegenteil,
Deutschland ist mit seinen bewertenden Referateblättern einmal Vorreiter einer solchen
Entwicklung gewesen. Dabei sollte man z.B. bei der Bewertung von Quellen Objektivität
nicht mit Neutralität verwechseln. Z.B., ein schlechtes Buch muss objektiv auch als
schlechtes Buch bezeichnet werden. Alles andere wäre unredlich. Dass unterschiedlich
qualifizierte Kräfte dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist nicht neu, und selbstverständlich erlaubt.


Mit freundlichen Grüßen

W. Umstätter


Niemann, Borghild wrote:


Zu dem oben genannten Artikel von Reinhard Markner und den Stellungnahmen von Bernhard Tempel und Klaus Graf in INETBIB vom 02.05.2005 möchte ich folgendes bemerken:

Zunächst einmal wundere ich mich, warum Bernhard Tempel bei der Lektüre des Artikels „einigermassen in Rage“ geraten ist und und Klaus Graf von dem „weitgehend albernen Artikel“ schreibt. Beide Bemerkungen sind weit unter Niveau.

Meines Erachtens gehören in einen durch Steuergelder finanzierten Bibliothekskatalog als Anreicherung (bibliographic enrichment) nur neutrale Informationen wie Inhaltsverzeichnisse und neutral gefaßte Inhaltsangaben. Klaus Graf hat insofern recht, wenn er meint: „Es wird nicht zuviel, sondern noch viel zu wenig angereichert!“ Aber für Rezensionen, Bewertungen, die auch Verrisse sein können, ist ein Bibliothekskatalog das falsche Medium. Aus guten Gründen handelt es sich bei der Deutschen Nationalbibliographie (pardon: Nationalbibliografie) um ein Amtsblatt, Die Deutsche Bibliothek ist also zur absoluten Neutralität der Verzeichnung der Neuerscheinungen verpflichtet. Es wäre zu prüfen in wieweit es sich bei Katalogen wissenschaftlicher Bibliotheken um amtsblattähnliche Veröffentlichungen handelt. Mit Sicherheit sind sie jedoch keine privaten Veröffentlichungen, in die Verleger oder Gruppierungen ihre Podukte gratis oder gegen Entgelt hineinplazieren können. Warum muß der Mausklick für die Rezensionen des Internetforums H-Soz-u-Kult auf die Katalogoberfläche des GBV plaziert werden, man findet sie in Nullkommanix auch bei Google. Wir wissen alle, daß unsere Bnutzer sehr gut googeln können.

Seltsamerweise befassen sich die Kollegen Tempel und Graf nicht mit dem anderen Teil des Artikels von Reinhard Markner in der Süddeutschen Zeiung, der elektronischen Ladentheke von Amazon im Bayerischen Verbundkatalog. Hier das Zitat aus dem Artikel:

<Zitat>

„Klick, klick zu Amazon
Auch der Bibliotheksverbund Bayern hat bevorzugte Kooperationspartner. Vor gut zwei Jahren hat er sich mit der Firma "Ex Libris Ltd." verbunden. Für die Benutzer seiner Kataloge zeigt sich das an dem Kürzel "SFX", welches anzuklicken ist, wenn man Informationen zur Orts- oder Fernleihe wünscht. Die drei Buchstaben stehen, erläutert eine Presseerklärung, für einen "kontext-bezogenen Linking Service, mit dem der Anwender unter Berücksichtigung institutioneller Gegebenheiten und ausgehend von einer Suchanfrage durchgängig zu weiterführenden Informationsquellen und Services in heterogenen Umgebungen navigieren kann". Konkret heißt das: Es öffnet sich auf Mausklick ein weiteres Fenster mit den Optionen "Bestand im Bibliotheksverbund Bayern / Fernleihe / Rezension lesen oder Buch bestellen über BookFinder.com". Letzteres ist eine interessante Alternative. Wozu überhaupt in die Bibliothek gehen, wenn man das Buch auch kaufen kann?


Die Firma BookFinder.com wurde vor zehn Jahren von Studenten an der kalifornischen Universität in Berkeley bei San Francisco gegründet. Ihr Ziel sei es, liest man in einer Selbstdarstellung, Lesern unvoreingenommene, stets aktuelle Informationen über online erhältliche Bücher bereitzustellen. Das hört sich gut an. Tatsächlich aber präsentieren sich die von BookFinder ausgeworfenen Resultate ausgesprochen voreingenommen - sie führen schnurstracks zum Angebot des Internet-Buchhändlers Amazon. Hier dringen in bemerkenswerter Weise Geschäftsinteressen in die Kataloge öffentlicher Bibliotheken ein. Vor den Zeiten einer solchen "Anreicherung" hatten Bibliothekare von Katalogpflege noch andere Begriffe.“ <Zitat Ende>

Was hat die bayerischen Kollegen bewogen, die elektronische Ladentheke von Amazon in ihren Gesamtkatalog zu stellen?

Können Benutzer nicht freihändig Amazon und andere Internetbuchhandlungen aufsuchen, wenn sie es denn möchten?

Borghild Niemann

Staatsbibliothek zu Berlin

Haus Potsdamer Straße



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.