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Re: [InetBib] Alternde Türsteher der Wissenschaft



Lieber Herr Ulmer,
ich will doch kurz auf Ihre Bemerkungen eingehen.

Na, da w?rden mir die Gesellschafter ganz sch?n die Ohren lang ziehen

eben, die verstehen was vom Markt der Buecher ueber Rosen, aber nix von der harten Wissenschaft. Ein verstaendiges und verstaendliches Buch mit praktischen Beispielen ueber Dimensionen, Schreibweisen, einer Einfuehrung in die Normen und Grunddefinitionen und Festlegungen der Dimensionen in der Physik ist hoch ueberfaellig, zeitlos, braucht jeder, braucht es laufend, ein riesiger Markt, -tja, aber eben auch nur, wenn der Leser es auch nutzen kann, d.h. runterladen, Formeln direkt in code transferieren und einbauen. Schliesslich will der Leser seine eigenen Formeln hin-und ruecktransformieren koennen bzw. lassen, ohne lange per Hand zu fummeln.


wenn ich Ihr Geld so versenke.

Sie meinen, Sie wuerden was versenken, weil sie das Fach und den Markt nicht kennen.

Ein Lehrbuch OA muss von irgend jemandem gesponsert werden.

Das ist nicht so. OA Lehrbuecher gibts, haben ihr eigenes Geschaeftsmodell (muessten Sie als Verleger natuerlich kennen). Kluge Verleger haben und werden mit OA-Lehrbuechern richtig gut Geld verdienen. Und die Experten wissen, wie es geht.

Und je ideologischer das Lehrbuch ist,

nee, mit Ideologie hat das inhaltliche Thema nix zu tun. Sondern mit einer Handreichung fuer das taegliche Arbeiten in der Physik. In der Theoretischen Physik ist es in vielen Fachrichtungen seit langem ueblich (auch in fast allen Publikationen etwa zur Kosmologie, Elementarteilchenphysik, etc.), c=1, G=1 zu setzen. Die Experimentalphysiker brauchen dann fuer die Ergebnisse oft die Umrechnung in z.B. das cgs-System. Das macht man bisher per Hand (aus E=m wird im cgs: E=mc^2, und das schoene ist, es gibt nur genau eine Moeglichkeit, c,G so 'zu verteilen', dass es stimmt. Oder in der allgemeinen Relativitaetstheorie der Schwartzschild-Nenner: 1-M/R (M Sternmasse, R Sternradius) muessen Sie natuerlich G,c so einsetzen im cgs. dass es passt. Dies online tun zu koennen, waere ein grosser Gewinn, verlangt aber einen verstaendigen Verleger, der weiss, wie man mit OA-Buechern ohne Staatssubventionen Geld verdient.


desto wahrscheinlicher wird die OA Ausgabe.

Eine voellige Verkennung der Anforderungen des Marktes der wissenschaftlichen Buecher in der jetzigen Zeit: OA heisst: das Buch kann aktuell gehalten werden, math.Formeln sind lokal ausfuehrbar, man hat von ueberall in der Welt aus mit Sicherheit Zugriff. Daher werden in den exakten Naturwissenschaften ernsthafte Buecher nur OA ueberleben, fuer den riesigen Pool an marginalen Buechern bleibt das bisherige magere Geschaeftsmnodell.


Das ist nicht meine Welt, aus dem staatlichen Subventionswesen h?lt man sich besser raus, das
sind finstere Abgr?nde, in die man sonst ger?t.

Ein finsterer Abgrund ist das mangelnde Verstaendnis der Anforderungen aus der Wissenschaft an Lehrbuecher heute bei einigen Verlegern. Gerade in der Mathematik gibt es aber auch andere.

Zur Peripherie: Frau Mruck hat natuerlich voellig recht. In meinem Fach ist die gaengige Praxis, dass die Autoren einen fertigen latex-Text abliefern. Nie hat in diesen ein Gutachter/editor eine Korrektur verlangt. Einzige Ausnahme: bei einem Buch in englischer Sprache hat der Verlag ein kluges editing unseres gehobenen Broken english durchgefuehrt. Schlimmer noch, als wir bei einem Grossverlag den Setzer das Differential d unter einem Integral in /roman setzen sahen statt in /italic, und ihn darauf hinwiesen, dass /roman(d) ein Faktor, eine Variable, aber /italic ein Differential ist, da sah man, er wusste von nix. 'Sieht doch so einheitlicher aus.' Viele Verlage sind zu aengstlichen Vertriebs-und-Setzmaschinen verkuemmert, dabei haetten sie nun gerade in so einer Umbruchszeit die grossen Chancen, langfristig ihre Zukunft zu sichern.

Da findet in anst?ndigen Verlagen die konzeptionelle Vorarbeit, die Qualit?tssicherung und die Formatierung statt.

Aus der Praxis eines sehr anstaendigen Lehrbuchverlages: konzeptionelle Vorarbeit, fachliche Qualitaetsarbeit = 100% durch die Autoren, in einem anderen Fall: 90% Autoren, 10% ein (unbezahlter) Kollege, der hier als Editor wirkte. Formatierung: ok, der fertige Latex-Text wurde im .pdf umformatiert und mit Kopf und Fuss versehen.

Kleine Bemerkung noch: was mich wirklich aergert, ist, dass es so viele Buchverlage gibt, die bei ihren Formatierungen (im Gegensatz zu dem Standard vor der Einfuehrung von Computern in den verlagen) dauernd Wortzwischenstaende nicht ausgleichen, Zeilen-endtrennungen nicht korrekt machen, Ligaturen nicht mehr respektieren usf. Es gibt also einen Rueckschritt bei den Verlagsleistungen! Und das im jetzigen goldenen Zeitalter, in dem ein Fachverlag wirklich nuetzliche Zusatzdienste rund um die OA-Fassung anbietet, Hinweise auf relevante Literatur online, die nach Erscheinen des Buches herauskommt, z.B. Fach-Foren, FAQ, Tutorien, Formel-und Literaturverknuepfungen, Experten-fragen, Verknuepfung mit Datenbanken, mit neueren Experimenten (nach Erscheinen), usf. ---

Alles Dienste, die sich nur fuer ein ernsthaftes Buch lohnen, fuer solche suchen wir ernsthafte Verleger, die nicht Argumente als 'unzustellbar' zuruecksenden, und die sich eben nur mit OA-Buechern realisieren lassen (zur Erinnerung: OA heisst eine digitale Fassung mit Quelltext und alle Daten online zur beliebigen (erhofften) Nachnutzung. Die nicht so wichtigen Buecher, die den Autor und den Verlag freuen moegen, sowie eben Belletristik und Rosenbuecher: dafuer braucht man moeglichst schoenes Papier, und die haben auch beste
 schoenes Papier, und die haben auch beste
Verlagsleistungen.

Schliesslich: Ihre seltsame Argumentation:
Gemeint war: wenn ein Werk OA ver?ffentlicht werden soll, dann m?ssen die Gestehungskosten von einem Dritten ?bernommen werden. Das kann nicht der Autor sein. Man muss jemanden suchen, der das Lehrbuch sponsort. Und das sind dann Institutionen, die keinen ?konomischen sondern einen ideologischen Zweck verfolgen. Und das wirkt sich zwingend auf den Inhalt aus, weil damit eine inhaltliche Beeinflussung verbunden ist.

Einnahmen fuer Buecher kommen immer von Dritten. Einnahmen fuer OA-Buecher nicht anders. Die weltweite umfangreiche Erfahrung mit ernsthaften OA-Buechern lehrt, dass die Einnahmen aus der Druckfassung, und aus anderen zugeordneten Diensten, ja sogar aus Online angebotenen Zusatzdiensten (z.B. Verkauf von math.Programm-Paketen, die latex Formeln aus Buechern verarbeiten koennen, Graphikpakete, die beides nutzen, Tutormaterialien, usf.) gute und zukunftsfaehige Einnahmen fuer den Verlag generieren, wenn er denn mit den Autoren zusammenarbeiten (kann und will).

Schliesslich: in meinem Fach kenne ich nach all den Berufsjahren nun wirklich nicht ein einziges Buch, das 'ideologisch' oder gar ideologisch gesponsert worden waere. Mit Theoretischer Physik kann man eben keine Politik betreiben.

vom Autor selbst 'gebastelte' Layout und Satz ist heutzutage in vielen Faellen,

mein Buecherschrank ist voll davon, besser, als viele Verlagsbeispiele. Grund: es gibt professionelle Latex-book Programme. Lassen Sie uns doch einen Wettbewerb machen: Sie nennen nach Ihrer Meinung 'anstaendige Verlage', und ich nenne Ihnen konkrete Einzelbeispiele.

Wo ich Ihnen Recht gebe, ist: der Buchmarkt wissenschaftlicher Buecher liegt im Argen. Honorare von 200,- pro Buch bei den Margen der Verlage sind nichts als eine Missachtung der Autorenleistungen. Und die o.g. zusatzleistungen fehlen. Da lobe ich mir doch den Herrn Elsevier, der 1865 eben die damaligen Wissenschaftler gefragt hatte, was sie brauechten, und Kammerling-Onnes und andere sagten damals: referierte Fachzeitschriften. Heute gibt es kaum Verleger, die diesen Schritt tun, jedenfalls nicht hier.

Ihnen ein nachenklichen Abend wuenschend und weiter auf der Suche nach einem wagemutigeren Verleger,der mit uns kooperieren will,
 Ihr Eberhard R. Hilf

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